„Immer am Zaun lang und dann links“

VFC Plauen – 1.FC Magdeburg, 28.09.2013, 8. Spieltag

Tja. Was soll man groß zu einem Spiel schreiben, in dem man nach 45 Minuten wie der sichere Sieger aussieht und nach zwei gespielten Halbzeiten dann doch nur mit einem Punkt dasteht? Vielleicht einfach nur so viel: mit einer 2-0-Halbzeitführung im Rücken und einem Mann mehr für etwa 50 Minuten kann man die Partie einfach nicht mehr aus der Hand geben und noch 2 Gegentore in Überzahl kassieren. Schon gar nicht – bei allem sportlichen Respekt – gegen eine Mannschaft wie den VFC Plauen. Punkt. (Ein etwas ausführlicherer Spielbericht ist, wie üblich, bei Sportfotos MD zu finden.)

Nachdem ich meine Blau-Weißen ja infolge des Zwickau-Spiels schon so vorsichtig auf dem Weg nach oben wähnte, muss auch ich als bedingungsloser FCM-Optimist wohl anerkennen, dass die Entwicklung derzeit wieder ein wenig stagniert. So kosteten am gestrigen 8. Spieltag abermals Unkonzentriertheiten, diesmal gepaart mit einer eigentlich kaum zu erklärenden, publikumsinduzierten Unsicherheit die Punkte. Da das aber vor allem mit so diffusen Eigenschaften wie mannschaftlicher Geschlossenheit, Abgeklärtheit und dem Glauben an die eigene Stärke zu tun hat, bleibt – wieder einmal – zu hoffen, dass auch dieses Spiel wieder zum gesamtmannschaftlichen Wachstumsprozess beiträgt und solche Einbrüche wie gestern in Zukunft nicht wieder passieren.

Und trotzdem: auch wenn der Spielverlauf gestern im Endergebnis wenig befriedigend war, hat sich der Ausflug ins Vogtland doch irgendwie gelohnt. Das lag zum einen an der netten Reisebegleitung und zum anderen sowohl an der Beschaulichkeit des Regionalligaspielortes „Vogtlandstadion“, als auch dem tollen Fußballguckwetter mit blauem Himmel und strahlendem Sonnenschein. Wer kann schon ahnen, dass man Ende September noch mal mit leicht – und nicht vor Zorn – gerötetem Gesicht ein Fußballstadion verlässt?

Die Reise Richtung Plauen begann bereits ziemlich früh, nämlich gegen 9, und führte über Chemnitz zum Plauener „Oberen Bahnhof“. Auf dem ersten Teilstück durften wir dann auch gleich wieder am eigenen Leib erfahren, dass Auswärtsfahrten im Speziellen und Mitfahrgelegenheiten im Allgemeinen ja mitunter zu eher grotesken Bekanntschaften führen, begleitete uns doch bis Chemnitz ein junger Mann offenkundig fragwürdiger politischer Gesinnung auf unserem Ticket. Erstaunlicher- oder vielleicht eher erschreckenderweise war der gute Mann im Umgang nicht mal unsympathisch, man unterhielt sich über Tattoos, Kampfsport und das Objektschutz-Business, und hier und da wurden seitens unseres Mitfahrers eben mal so Versatzstücke wie „Naja, das erste Tattoo bekam ich ja in der Kameradschaft, aber das musste ich mir dann wegen des Jobs überstechen lassen.“ bzw. „da haben die Staatsdiener dann plötzlich Stress gemacht, nur weil man mit einer ’88‘ auf dem Pullover rumläuft“ in die Unterhaltung eingeflochten. Gruselig, gruselig und eine eher größere Herausforderung für die eigene Gesichtsmuskulatur, die wir aber beide erstaunlich gut meisterten. Im Nachhinein habe ich dann überlegt, ob man dem Kollegen nicht hätte raten sollen, vielleicht man ein Spiel der Braunschweiger Eintracht zu besuchen – dort würde er sich vermutlich sichtlich wohl fühlen. Aber das ist eine ganz andere, ebenfalls äußerst traurige Geschichte.

Aufgrund der Zugbekanntschaft noch immer ein wenig verstört, ging es dann von Chemnitz weiter Richtung Plauen, als am Bahnhof „Glauchau“ die Zugfahrer vom Block U unsere Regionalbahn bestiegen. Trotzdem diese – natürlich entsprechend große – Reisegruppe bereits seit kurz nach 6 unterwegs war und der Zug ohnehin schon eine bedenkliche Füllhöhe angenommen hatte, herrschte eine äußerst entspannte Stimmung, wurde älteren MitbürgerInnen mit dem Gepäck geholfen und sich sonst stehenderweis‘ über das Reiseziel, die letzten Bundesligaergebnisse und sonstige Fußballgeschehnisse ausgetauscht. Schade, dass so etwas nie Eingang in die populistische Tagespresse findet und man stattdessen lieber den Club als ein Exempel schlimmen Fußball-Rowdytums verunglimpft, wie unlängst in einem Artikel bei WELT Online mit dem bezeichnenden Titel „An jedem verdammten Samstag“. Aber was soll man machen.

Irgendwann erreichten wir dann Plauen und befanden uns in einem Glas, Stein und Metall gewordenen Zeugnis DDR-esquer Bahnhofsarchitektur:

Plauen Oberer Bahnhof

Plauen oberer Bahnhof

Nach einigen Überlegungen, ob wir eher den Bus-Shuttle oder einen längeren Fußmarsch zum Stadion wählen sollten, entschieden wir uns kurzerhand für letztere Option, um auch noch ein paar Eindrücke von der Stadt unseres heutigen Gegners zu sammeln (Fußballreisen sind ja auch Bildungsreisen 😉 )und das schöne Wetter zu nutzen. Naja, und was soll man sagen, Plauen ist jetzt nicht unbedingt die boomende Metropole. Eher das Gegenteil. Und je näher wir dem Stadion kamen, desto verwunderter waren wir auch, dass man von einem anstehenden Fußballspiel bei besten Bedingungen zur besten wochenendlichen Zeit so überhaupt gar nichts merken wollte. Ich meine, bis zum Haupteingang zum Vogtlandstadion (das in Zeiten des so genannten modernen Fußballs natürlich den Namen einer ortsansässigen Biermarke tragen muss) ganze 2 Menschen gezählt zu haben, die uns über den Weg liefen. Über eine Brücke und abenteuerliche Waldwege, vorbei an Einfamilienhäusern und Kleingärten, erreichten wir schließlich das Stadion, nur um feststellen zu müssen, dass sich der Gästeeingang selbstverständlich genau auf der anderen Seite befindet. Die etwas verdatterte, wenngleich nicht unfreundliche ältere Plauenerin im Kassenhäuschen wies uns dann auch den Weg mit einer recht einfachen Anweisung: „Immer am Zaun lang und dann links.“ Gesagt, getan, und irgendwann standen wir dann vor diesem gut ausgebauten Zugang zum Gästeareal:

IMG_3152

Auf der anderen Seite dieser kleinen Anhöhe konnten wir dann auch gleich unmissverständlich feststellen, dass wir richtig sein mussten: die Staatsmacht hatte mal wieder für jeden Auswärtsfan einen Beamten abgestellt, damit man sich im gefährlichen Vogtland auch ja sicher fühlt.

IMG_3160In Anbetracht der völlig entspannten Atmosphäre kann man das eigentlich nur albern finden, aber auch hier gilt: kann man nichts machen. Wenigstens war jetzt klar: sollte Bigfoot unerwartet aus den umliegenden Wäldern brechen und das Stadion attackieren wollen, wären da genügend tapfere Männer in Schutzwesten und Helmen, die man zur Abwehr hätten vorschicken können.

Das Vogtlandstadion selbst, an dem in letzter Zeit einiges gemacht wurde, ist schon ein schönes, kleines Schmuckkästchen. Nur leider sind die mit den Sitzschalen verbauten Vereinsfarben für das FCM-Auge doch sehr, sehr gewöhnungsbedürftig.

Vogtlandstadion Plauen

An diesem Nachmittag fanden sich (laut kicker.de) insgesamt 1.320 Zugucker ein, von denen, wenn ich schätzen müsste, etwa ein gutes Viertel den Blau-Weißen die Daumen drückte. Überhaupt war so etwas wie Stimmung von der Heimseite eigentlich erst auszumachen, als der Schiedsrichter mit einigen wirklich fragwürdigen Entscheidungen (darunter auch die rote Karte, der der Elfmeter folgte, der zum 2-0 führte) das Publikum gegen sich aufbrachte, was in der Folge immer mehr ins Geschehen fand und eben auch dazu beitrug, unsere Elf spätestens nach dem Anschlusstreffer zum 1-2 gehörig aus dem Tritt zu bringen.

Spaßige Beobachtung noch am Rande: was bei uns die Capos von Block U sind, ist im Vogtland ganz offenbar der Stadionsprecher: ich hatte ja zwischenzeitlich schon mal Sorgen, dass der gute Mann eventuell einen Herzinfarkt erleidet, aber auf jeden Fall war vor allem er es, der das Publikum mit kippender Stimme schreiend aufpeitschte. Und der, was ich ja äußerst, nun ja, eigenartig fand, in der Halbzeitpause dazu aufrief, eventuelle Videos oder Fotos von der Situation, die zur roten Karte für die Heimseite führte, zu beschaffen. Ähm, ja. Kann man mal machen.

Da ich mich zum Spielgeschehen ja nicht weiter äußern wollte, vielleicht noch etwas zur Versorgung im Stadion: ich meine, klar, für so eine beschauliche Gegend wie Plauen ist es sicherlich schon eine Herausforderung, an einem Versorgungsstand ein paar hundert hungrige Fußballfans mit Grillgut zu versorgen. Deswegen kann man aber die Rostbratwurst ja vor dem Verkauf trotzdem mal auf den Grill legen, statt sie einfach nur mit ein wenig Acrylamid zu bestreichen und dann als „gebraten“ zu verkaufen. Ich habe jedenfalls selten ekligeres gegessen, als eine halbgare Bratwurst im Brötchen in der Gästekurve des Vogtlandstadions. Wie gut, dass ich vor lauter Hunger und Gier mal eben gleich zwei Bratwürste käuflich erwarb, ohne erstmal eine vorsichtig zu verkosten….

Nach dem Spiel ging es dann relativ zügig wieder zurück zum Bahnhof, weil eine ganz bestimmte Verbindung unbedingt erreicht werden musste, um alle gefährlichen Magdeburger Hooligans Auswärtsfahrer wieder sicher aus der Stadt zu bugsieren. Auch hier kam es, trotz der insgesamt doch sehr gedrückten Stimmung, zu keinerlei Zwischenfällen, und auch später im Zug feierte die Anhängerschaft sich zwar feuchtfröhlich selbst, schlug dabei aber nicht negativ über die Stränge. Das fiel sogar zwei älteren Damen auf, die sich dann, nachdem der Mob den Zug verlassen hatte, wohlwollend über die Meute äußerte. Man wäre ja auch mal jung gewesen und solange alles im Rahmen bliebe, sei doch alles okay. Nimm dies, Populistenjournalismus! (Nebenbei bemerkt amüsiert mich ja die Vorstellung, wie die beiden Damen in jungen Jahren gröhlend und saufend mit dem Zug von Spiel zu Spiel gereist wären, immer noch und nachhaltig 😉 ).

Fazit: so eine Auswärtsfahrt nach Plauen auf einen Samstag kann man schon mal machen. Nur nächstes Mal wäre es mir lieber, wenn wir dann am Ende tatsächlich auch die drei Punkte mit nach hause nehmen.

Am kommenden 9. Spieltag gibt sich die Fußballgroßmacht Wacker Nordhausen die Ehre in unserem Heinz-Krügel-Stadion und sicherlich suchen unsere Verantwortlichen bereits im Wortbaukasten nach den entsprechenden Phrasen Richtung „Wiedergutmachung“, „Weiterentwicklung“, „Dominanz“ und „Heimsieg“. Für mich wird es insofern ein besonderes Spiel, als dass ich gleich im Anschluss in eine neue Stadt und zu einem neuen Job zurückreisen muss, die und der mich in der kommenden Woche erstmals erwarten werden. Wie das logistisch funktioniert, wird spannend, aber, und das hatten wir schon, was soll man machen? Es heißt ja schließlich nicht umsonst:

EINMAL – IMMER! 

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